. .

Feuer

Jetzt sind es die Emotionen, der expressive Ausdruck mit dem sich die junge Kärntner Künstlerin Claudia Unterluggauer beschäftigt. Davor – und dazwischen – erzählt sie aber auch gerne Geschichten, nimmt sich Märchen als Bezugsrahmen und stellt sich selbst dazu. Selbstinszenierung. Und dann ist da noch diese Lust an den vielen gestalterisch-technischen Möglichkeiten, die je nach Thema und gewünschter Bildkraft einsetzt. Altes und Neues wird kombiniert, Guache mit Zeichnung, Photographie und Computerbildbearbeitung, Acrylmalerei und mittelalterliche Schicht- und Lasurtechniken, Öl- und Bleistift. Derzeit tobt sie sich also expressiv aus, beschreibt Unterluggauer ihre aktuelle Arbeitsweise und so kam sie auf das Feuer, zwar noch in Assoziation mit der real existierenden Figur, aber an sich inhaltslos – lodernd, ausufernd, Medium für spontanen Ausdruck für das rein malerische Element, das zum Schauen, zum reinen Schauen und sich berühren lassen verführen soll. Das Leidenschaft und überschäumendes Glück ebenso zeigen kann wie Zorn und Raserei.
Als technisches Gegenstück hat Unterluggauer für sich die Tropfenform gefunden – in feiner Blei- und Buntstiftzeichnung kombiniert mit Gouache-Malerei plastisch gestaltet, sich ablösend, rinnend aus einer amorphen Masse und dann frei schwebend, ein imaginäres Licht spiegelnd. In Wahrheit jedoch ist der Tropfen vor allem Ausdrucksform, quasi Behältnis für zahlreich nuancierte Gefühlszustände. “Verschiedene Farbpaletten stehen für unterschiedliche Emotionen“, beschreibt die Künstlerin die Zusammenhänge. Frust, Einsamkeit, Angst, aber auch Respekt oder Scham haben bei ihr immer gleichbleibende Färbung: „So wird Frust immer giftgrün erscheinen, Opferrolle hingegen farblos, zerbrechlich, fast durchsichtig. Die Hintergrundfarben ergeben sich durch bloße malerische Entscheidungen.“ Das aktuelle Thema Feuer hinterlässt auch hier seine Spur: Feuertropfen.

Verena Kienast, 2014

Von Sternen, Tropfen und dem Feuer

Ich begrüße Sie, sehr geehrtes Publikum,
Sie befinden sich nun in meinem Kopf.

Mit erbsengrünem Kleid, auf dem ein Perlenkollier aufgemalt ist, steht die Künstlerin Claudia Unterluggauer vor uns und lädt uns ein, alles Alltägliche zu vergessen und ihr zu folgen.
Sie nimmt uns mit in ihr weit verzweigtes Reich der Erzählungen und Märchen. Der Einstieg oder Ausstieg, so hat sie es vorgesehen, erfolgt durch ihre Augen. Auf der Titelseite ihrer Website, die zu besuchen es lohnt, finden wir ihre Augenhöhlen wie riesige Panoramafenster an der Wand eines imaginären Korridors.

Die Künstlerin betätigt sich als Führerin und geht auf mehrere geschlossene Türen zu. Das Bild erinnert an das „Magische Theater“ in Hermann Hesses Steppenwolf oder an Jean Cocteaus Film „Orpheus“. Es ist wie in manchen Märchen, in denen sich die /der Heldin/Held für eine von mehreren Türen entscheiden soll, um ans Ziel zu gelangen. Dort führt allerdings meist nur eine einzige Tür zum Glück.

Bei Claudia Unterluggauer erwarten uns – wie sie betont – gleichwertige Gedankenräume. Wie sagt die Künstlerin? Durch die Türen gelangen Sie in Vorführräume, in denen Sie meine Arbeit betrachten können.
Wie gebannt stehen wir unter einem Himmel voller Sterne, die über uns flimmern. Jeder Stern ein Märchen, eine Geschichte aus der Vergangenheit oder noch ungeborenen Zukunft. Der Urgroßvater Josef Lexer (1889–1974) ist ein solcher Stern. Er war Musiker und Komponist und bildet einen wichtigen Fixpunkt in Claudia Unterluggauers Raumarchitektur.
Bis zu den Playaden, einer von ihr gegründeten Künstlerinnengruppe, steigen wir empor und während wir noch staunen, verwandeln sich die Sterne zu Tropfen und fallen zur Erde. Wir begegnen dem Mädchen mit dem Sterntalerkleid, dem Kind mit den Schwefelhölzchen und Frau Holle. Gold und Pech, Einsamkeit und Trauer, füllen die großen Tropfen der Wandlung. Eine unübersehbar große Tropfenzahl, den Sternen gleich, bindet Gefühle und bewahrt sie. Man ist an die Homöopathie erinnert, in der unterschiedliche Potenzen in den Tropfen gebunden sind.

Die Wandlung ist die zweite große Raumarchitektur in Claudia Unterluggauers Gedankenraum. Oder wie sie selbst sagt:
…der nächste dicke Ast eines Baumes, bei dem die Äste alle gleichwertig sind und Früchte tragen.
Das Dunkle, der Tod, die Trauer – in Tropfen finden wir sie wieder. Sie bilden eine unendliche Gedankenwelt, in der wir, auf unsere Führerin vertrauend, einen Erweiterten Malerischen Raum betreten. Einen Ort, an dem erzählerische Inhalte in der Malerei nicht nur geduldet, sondern gewünscht und gefordert werden. Das Märchenhafte wird ernst genommen, die Gefühlswelten und die Wunder werden gelebt. Spott und Angriff der Zeit verbrennen im Feuer der Emotionen.
In der dritten Abteilung herrscht das reinigende Feuer leidenschaftlicher Gestik. Hier im Magma des Seelenvulkans verschmelzen auch scheinbar unverträgliche Elemente.

Doch wie ist das alles gemacht? Wie zeichnet die Künstlerin ihre Märchen und Gefühle, wie ordnet sie die großen Themenstränge?
Die Orte, an denen sie ausstellt, bestimmen die Auswahl ihrer Werke und Serien mit. Sie zeichnet und formt mit Öl, Mischtechniken, Bleistift, Buntstift und Kreiden. Je nach Thema und Gedankenraum wählt sie die künstlerischen Mittel. Das Repetitive in den Bildern fasziniert sie. So steigt die Zahl der Tropfen- und Sternenbilder stetig an. Themenvielfalt und Titel der Arbeiten sind Claudia Unterluggauer sehr wichtig. Der Blick nach innen und nach außen, die Toleranz und Gleichwertigkeit der Themen und Techniken, die sie verwendet, fließen in ihr Konzept der Raumarchitekturen ein.
Da sie handwerklich sicher und souverän arbeitet, kann sie von Thema zu Thema springen, ohne sich zu verlieren. Sie wandelt unter ihrem eigenen Sternenhimmel, verwandelt sich zu unzähligen Tropfen, um wie der Phoenix aus dem Feuer ihrer Zeichnungen immer wieder mit neuen Geschichten herauszusteigen.
Wie sagt sie?
Die künstlerische Arbeit öffnet mir den Blick in meine Welt,
wie auch in die Welt der Anderen.

Roman Scheidl, Balingen 2011